Das Didgeridoo ist ein faszinierendes Instrument, das einige Fragen aufwirft, die ich versuche hier zu beantworten.
Der Name und die Herkunft
Das Didgeridoo / sprich „Didscheridu“ ist ein zeremonielles Blasinstrument der australischen Aborigines, die es seit mindestens 5.000 Jahren, wahrscheinlich aber wesentlich länger spielen. Der von Termiten ausgehöhlte Eukalyptus-Ast erzeugt einen tiefen Grundton, über den verschiedene singende, stampfende, klackende, schreiende oder trompetenartige Klänge mehrschichtig und rhythmisch moduliert werden können. Die sogenannte Zirkularatmung ermöglicht dabei, auch während man einatmet, einen ununterbrochenen Ton zu halten.
Wie man das Wort übrigens auch immer schreiben mag: Das/der/die „Didgereedoo, Digeridoo, Didjeridoo, Didjeridu, Didjerido, Didgerido, Didgeridu, Didscheridoo, Didgeredoo, Digiridoo oder Digerido“ sind allesamt keine traditionellen Namen. Bei den Yolngu, den „Stammhaltern des Didgeridoo“, heißt es Yidaki. Andere Namen sind „Yirdaki“, „Mandapul“, „Mago“, „Gunborg“, „Waimbo“ (Bamboo) und dutzende andere.
Original-Didgeridoos & Nachbauten
Original-Didgeridoos sind von Termiten ausgehöhlt. Deren individuelle Fraßspuren lassen die Instrumente im hohen Obertonbereich einmalig klingen und sorgt für ganz eigene Druckverhältnisse beim Spielen. Es werden aber aus den unterschiedlichsten Hölzern Didgeridoos nachgebaut. Entweder wird es in der sogenannten Sandwich-Bauweise gebaut, oder aus der Ast wird mit aufwändigen selbst entwickelten Werkzeugen in einem Stück gebohrt. Im ersten Fall wird das Holz längs in zwei Hälften geteilt, ausgehöhlt und wieder zusammen geklebt. Vor allem im Vergleich zu den günstigen Touristen-Exporten schneiden die in Europa gebauten Instrumente sehr gut ab.
Von den meisten Nachbauten aus Indonesien und einem Blindkauf im Internet möchte ich abraten. Hier finden lediglich Kenner die eine oder andere Perle.
Das Spektrum reicht von den Einstiegsmodellen aus Bambus oder dem Abflussrohr aus dem Baumarkt über ordentliche Didges aus einheimischen Hölzern für 150-300 Euro, Konzert-Didgeridoos für 400-1000,- bis zu High-Tech Edelholz-Didgeridoos mit Aluminium-Einschüben, die aus dem Didge eine sound-gewaltige Bass-Posaune werden lassen.
Ich persönlich benutze auch gerne wohlklingende Instrumente aus hundert Prozent Hanf oder stimmbare Didgeridoos aus PVC. Es lassen sich Rohre aus Glas, Ton, gehärtetem Leder, Knete, Fieberglas und vielem mehr verwenden, sofern sie von den Maßen geeignet und hart genug sind. Letztendlich entscheidet die innere Form und das Können des Spielers über den Klang.
Wieso zählt das Didgeridoo zu den Blechblasinstrumenten?
Auch wenn es nicht aus Blech gefertigt ist, gehört das Didgeridoo (wie auch das Alphorn) zu den Blechblasinstrumenten. Der Grund ist die gleiche Tonerzeugung des resonierenden Tones durch die vibrierenden Lippen. Das Didgeridoo wird jedoch als einziger „Blech“bläser fast ausschließlich auf der tiefsten spielbaren Eigenschwingungsfrequenz des Rohres gespielt. Dieser sogenannte Grundton ist auf dem Didgeridoo jedoch enorm klang vielfältig. Weil die Lippen nicht wie bei der Tuba oder Posaune durch einen Trichter-Mundstück beengt sind, machen sich alle Bewegungen der Zunge, der Lippen, des Halses, des Kiefers, der Wangen, des Zwerchfells oder der Bauchmuskeln sofort als Sound oder Rhythmus bemerkbar.
Auf Blechblasinstrumenten wird der Grundton dagegen durch die Obertonreihe mehrfach überblasen oder wie bei der Tuba auch durch Ventile in der Tonhöhe verändert. Es gibt allerdings auch einige Didgeridoo-Spieler, die alleine mit dem Überblasen Alphorn-ähnliche Melodien erzeugen.
Wieso ist das Didgeridoo so faszinierend?
Vom ersten Augenblick hat mich fasziniert, dass ein so einfaches Instrument wie das Didgeridoo eine so unglaubliche Klang- und Rhythmusvielfalt erzeugen kann. Gerade weil es so schlicht ist, ist es auch ein sehr unmittelbares, ein sehr direktes Instrument. Das Spielen des Didgeridoos gleicht dem Singen mit einem natürlichen Effektgerät davor. Der Clou ist für mich, dass sich dessen Effekte von mir ebenso flexibel bedienen lassen, wie die Stimme selbst.
Vor allem Blasmusiker sind von der Technik der Zirkularatmung fasziniert, die sich auf dem Didgeridoo leichter lernen lässt, als zum Beispiel auf einem Saxofon. Wenn man den Dreh erst einmal raus hat, ist das Didgeridoo gar nicht so schwer zu spielen. Es lassen sich, wenn man nur die wichtigsten Grundtechniken beherrscht, sehr viele Ideen spontan umsetzen. Darüber hinaus lässt es sich als exotisches oder treibendes Feature leicht in einen bestehenden Bandkontext einbinden und mit allen erdenklichen Stilen kombinieren.
Aber vor allem ist es auch bei absoluten Musik-Laien sehr beliebt, weil sich ohne musikalische Vorbildung ungewöhnliche Klänge produzieren lassen und selbst ein ganz schräg gesungener Rhythmus am unteren Ende zumindest irgendwie exotisch klingt. Das Didgeridoo regt dazu an in den immerwährenden Ton regelrecht einzutauchen und die Atmung kann dem Spieler dabei helfen.
Frauen und Didgeridoo
Meinem Wissen nach erleben verschiedene Aborigine-Clans spielende Frauen sehr unterschiedlich. Im traditionellen, zeremoniellen Zusammenhang spielen in aller Regel nur sehr wenige, ausgewählte Männer. Spielende Aborigine-Frauen und Mädchen gibt und gab es, jedoch hören die meisten in einem bestimmten Alter damit auf. Die Gründe dafür sind vielfältig: Mythologisch ist das Didgeridoo eindeutig dem Männlichen zugeordnet. Die Zeremonien fordern vom Spieler einen ziemlich sportlichen Einsatz, wenn die Tänzer in fünfzig Meter Entfernung und nach etlichen Stunden noch etwas hören wollen. Vielleicht sind es ähnliche Gründe, weshalb die Männer in fast allen Kulturen die Jäger sind. Schwangere sollten das Didgeridoo deswegen tatsächlich besser nicht spielen. Der sich im Bauchraum aufbauende Druck kann sich ungünstig auswirken.
Selbst meisterliche Zeremonienspieler im traditionsreichen Arnhemland unterrichten Nicht-Aborigine Frauen. Wahrscheinlich sollten sich interessierte Frauen wie Männer in gleichem Maße die Frage nach der Anerkennung der Wurzeln, sowie der Bedeutung des Didgeridoos in der Kultur der Aborigines stellen. In jedem Fall sollten die Aborigines vor Spielbeginn gefragt werden, ob es sie stört bzw. ob es für sie in Ordnung ist.
Das Didgeridoo als Therapie-Instrument
Mit dem Didgeridoo lassen sich sicher, gerade in der Arbeit mit Autisten oder Taub-Stummen wertvolle Erfahrungen machen. Auch von einem Didgeridoo angespielt zu werden, ist äußerst angenehm.
Es ist dabei allerdings wichtig zu wissen, dass bei den Aborigines nicht nur der Klang des Didgeridoos, sondern der ganze Zusammenhang einer Zeremonie, die Vorbereitungen, die Malereien, der Gesang und der Tanz an einem heilenden Prozess beteiligt sind. Wohl kein Weißer wird wohl je völlig in die mit ihrem Land eng verbundene Lebensweise eines Yolngu eintauchen können und ich bezweifle die Ehrlichkeit manch eines selbst ernannten, „von den Aborigines im Traum auserwählten Heilers“. Am heilsamsten ist das Didgeridoo doch wohl für den Spieler selbst.
Didgeridoo-Spielen hilft bei Schnarchen?
Ein paar Studien sprechen dafür, dass das regelmäßige Spielen des Didgeridoo hier hilfreich ist. Es gibt jedoch verschiedene Formen des Schnarchens. Gerade bei den lautesten Formen, die in der Nase entstehen, kann es nicht helfen. Die Studien konzentrierten sich auf Schlaf-Apnoe, bei der das Rachen-Gewebe derart erschlafft, dass es zu minutenlangen Atemaussetzern kommen kann. Die mangelnde nächtliche Sauerstoffversorgung ist sehr anstrengend und energieraubend für den Körper.
Ich selbst schnarche nicht, aber ich kann mir vorstellen, wie die innere Muskulatur, die beim Schnarcher oder bei nächtlichen Atemaussetzern erschlafft ist, durch die Kompression der Luft und bestimmte Techniken, wie beispielsweise die Zirkularatmung, auf einmalige Weise trainiert wird, wenn sie gegen diesen Druck arbeitet.
Dass das Spielen auch gegen Asthma und chronische Bronchitis helfen kann, ist nicht belegt, aber meine eigenen Erfahrungen und die vieler befragter Spieler deuten darauf hin.
Wie lässt sich das Didgeridoo musikalisch kombinieren?
Mit meinen Bands und als Gast spielte und spiele ich das Didgeridoo in den unterschiedlichsten musikalischen Zusammenhängen. Bis jetzt habe ich noch keinen Stil entdeckt, mit dem ich es nicht kombinieren konnte. Es kommt ganz auf die Spielweise an, mit der ich es dann „schon passend mache“. Elektronische Musik lässt, selbt wenn sie schon sehr voll mit Klängen ist, erstaunlicherweise immer noch Platz für das analoge Didgeridoo.
Ich spielte Tribal-Electro-Ethno-Funk-House auf Festivals, in Clubs, auf Messen und Firmenveranstaltungen, symphonischen Pop, Klassik, Weltmusik mit indischen & arabischen Instrumenten und als Gast in Rock- und Pop-Bands und sogar in einer Punk-Band. Von Vorteil ist es jedoch, ein stimmbares Didgeridoo (Slide-Didge, Didjeribone) zur Hand zu haben. Die meisten Stücke der westlichen Musikkultur sind „nicht-modal“ angelegt. Das heißt, dass der Grundton nicht in alle Akkorde passt. Mit dem „Posaunen-Didgeridoo“ kann ich mich an diese Wechsel anpassen.
Vom Beat-Box, der Klangimitation fast aller Instrumente mit dem Mund und der Stimme, können wir auf dem Didgeridoo einiges lernen und übernehmen. Das Didgeridoo fungiert mal als Rhythmus-Geber, mal als Ersatz-Sänger, als Didgeridoo-Posaune, als Schlagzeug oder als Bass. Solistisch gespielt vermag es wie eine elektronische Groovebox ganze Welten zu erzeugen.
Wer mehr über das Didgeridoo wissen will, dem oder der sei das deutsche Didgeridoo Lexikon und eine fantastische Seite zur Didgeridoo-Physik empfohlen.